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Die Magie der guten Tage


Das neue Album von Lindsey Stirling offenbart eine kunstvolle Katarsis.

„Ich versuche, weniger angespannt zu sein, Dinge zuzulassen und nicht immer so auf Kontrolle und Perfektion erpicht zu sein.“

„Aber Survive tat mir so richtig in der Seele gut. Der Song war mein Exorzismus von diesem Mistkerl.“


LINDSEY STIRLING

Duality
(Concord/Universal)
Bereits erschienen


Lindsey Stirling live

08.10. L-Luxemburg, Rockhal
12.10. A-Wien, Stadthalle
15.10. Düsseldorf, Mitsubishi Electric Hall
18.10. Hamburg, Barclays Arena
19.10. Berlin, Uber Arena
22.10. Frankfurt, Festhalle
29.10. F-Zenith, Strasbourg

Text: Steffen Rüth - Foto: Heather Koepp

 

Lindsey Stirling sitzt auf der heimischen Terrasse in Los Angeles, es ist ein schöner Vormittag, die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, sie trinkt ein Tässchen Kaffee, während sie mit uns spricht. Die US-amerikanische Violinistin, Tänzerin und Songschreiberin mit einem Faible für große, theatralische Klanginszenierungen hat in ihrer Karriere sehr viel erreicht. Ihre Crossover-Alben, auf denen sie elektronische mit klassischer Musik mischt, verkaufen sich weltweit millionenfach, die 37-Jährige hat dank ihrer überwiegend instrumentalen Musik kein Problem mit Sprachbarrieren, in Asien liebt man sie genauso wie in Südamerika und in Europa. Im Leben jedoch hat Lindsey Stirling noch Verbesserungspotential. Die innere Zerrissenheit und die vielen Fehden zwischen den verschiedenen Lindseys lotet sie auf ihrem packenden neuen Album Duality aus.

 

Lindsey, einer deiner neuen Songs heißt Untamed. Lässt du jetzt das wilde Tier in dir frei?

Besser erst nach unserem Interview (lacht). Dieses freie und ungezähmte Element in meinem Leben ist mir sehr wichtig. Gleichzeitig kommt es oft zu kurz. Druck und kommerzielle Zwänge machen es einem nicht leicht, die Abenteuerlust, die in mir schlummert, freizulassen. Aber ich bessere mich. Ich versuche, weniger angespannt zu sein, Dinge zuzulassen und nicht immer so auf Kontrolle und Perfektion erpicht zu sein.

 

Die Stücke auf Duality haben ja nun auch etwas Wildes, heftig Brodelndes, Episches und vor allem Cineastisches. Ist das Album deine Bewerbung, um endlich den Soundtrack für einen großen Hollywoodfilm zu komponieren?

Ja, komm, wir rufen jetzt sofort zusammen bei den Machern von Dune an, um zu fragen, ob sie interessiert sind (lacht). Ich finde, mein Stück Evil Twin passt total super in diese surreale Wüstenwelt.

 

Dune ist eine Trilogie, zwei Teile sind schon draußen. Eine Chance hast du also noch.

Eben. (lacht) Im Ernst, ich würde es lieben, Musik für einen Film zu machen. Ich spekuliere ein bisschen darauf, dass dieses Album mich meinem großen Ziel näherbringt. Die Hauptmotivation für Duality war das aber nicht.

 

Sondern?

Ich habe, wie seit jeher, versucht, mich mit Hilfe meiner Musik besser kennenzulernen.

 

Hört sich an, als wäre das ein lebenslanger Prozess?

Gott ja, ich fürchte, das ist auch so (lacht). Wir Menschen sind uneindeutige, multipolare Wesen. Wir sind so vieles gleichzeitig, und selbst das reicht uns häufig nicht aus. Ich führe schon mein Leben lang Auseinandersetzungen mit mir selbst. Mal bin ich überzeugt, dass ich alles schaffen kann und dass meine Träume bestimmt wahr werden. Doch die andere Seite ist auch stark, sie lässt mich alles hinterfragen, zweifeln, mich wertlos fühlen. Das ist schon so aus psychologischer Sicht sehr faszinierend, und ich habe bereits Jahre damit verbracht, schlauer aus mir selbst zu werden und zu lernen, welche Komponenten meines Innenlebens ich ausbauen und welche ich besser rausreißen sollte.

 

Klingt nicht gerade einfach an, Lindsey Stirling zu sein.

Das ist es auch nicht. Andererseits ist es natürlich auch phantastisch. Ich habe die Chance, mich mit meiner Kunst wirklich mitzuteilen und auszuleben, das ist ein Geschenk. An guten Tagen stelle ich mir vor, dass ich ein magisches Wesen bin, das in einer überaus praktischen Welt zurechtkommen muss. An schlechten wird diese Magie durch immer wieder heraufkriechende Depressionen bedroht. Gerade in Phasen der Unsicherheit ist es eine permanente Anstrengung, mir ein positives Gedankengerüst zu bauen. Auch ganz banale, praktische Dinge helfen. Ich habe mir zum Beispiel vorgenommen, jeden Tag mindesten einmal das Haus zu verlassen.

 

Woraus besteht dein Gedankengerüst?

Oft aus Traumszenarien. Ich stelle mir vor, mein großes Idol Pink ruft an und fragt mich, ob ich mit ihr auf Tour gehen möchte. Oder, dass ich nachher im Supermarkt den Mann meiner Träume kennenlerne. Ist noch nie passiert, aber träumen ist ja erlaubt. Ich will nicht jammern, aber alle meine Freundinnen sind längst verheiratet, die meisten schon, seit sie Mitte 20 sind. Ich hatte auch immer geglaubt, diesen Weg zu gehen. Ich hatte einige Beziehungen, aber da ist weiterhin dieses Loch in meinem Leben, diese unerfüllte Sehnsucht.

 

Wenn du eine Sache aussuchen müsstest: Pink oder Mann?

Dann nehme ich den Mann (lacht).

 

Dein neuer Song Survive, auf dem Sarah Blackwood von Walk Off The Earth die Rolle der Vokalistin übernimmt, ist deine Eigenkomposition, die aber auf Gloria Gaynors I Will Survive basiert. Was hast du für eine Geschichte mit dem Song?

Ich liebe ihn schon mein gesamtes Leben lang. Für mich ist I Will Survive der perfekte Trennungssong, so eine Kopf-oben-halten-Hymne wie zum Beispiel auch Since U Been Gone von Kelly Clarkson.

 

Hast du einen aktuellen Bezug zu dem Stück?

Das kannst du aber glauben! Als ich letzten Sommer Survive schrieb, ging es mir richtig dreckig, ich hatte gerade eine richtig beschissene Trennung hinter mir. Aber ich wusste, mein Herz wird wieder heilen, und ganz ehrlich, dass ich ohne diesen Vogel besser dran bin, war mir schon klar, als wir noch zusammen waren. Ich schreibe nur selten so konkret über die Liebe, meist handeln meine Stücke ja eher von Feen und Elfen und sowas. Aber Survive tat mir so richtig in der Seele gut. Der Song war mein Exorzismus von diesem Mistkerl.

 


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