Neue Wege gehen

„Ich wollte ja auch mal Kunst studieren, habe also immer einen kreativen Ansatz verfolgt. Ohne kann ich mir mein Leben gar nicht vorstellen.“
„Es gibt also schon Ähnlichkeiten zwischen einem leckeren Essen und einem gelungenen DJ-Set.“
ALLE FARBEN
Call My Name (Single)
(Warner)
Bereits erschienen
Frans Zimmer, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Alle Farben, sitzt in einem Hotelzimmer in der Türkei. Ein stressiger Sommer liegt hinter dem Berliner Musikproduzenten: Seine DJ-Sets führten ihn durch ganz Europa, von Cornwall über Ungarn bis nach Erding. Im Herbst ist er wieder unterwegs, auf Club-Tour, die ihn unter anderem nach Köln, Zürich und Heidelberg führt. Aber vorher erscheinen zwei frische Singles, mit denen Alle Farben zu neuen Ufern aufbricht. Sie klingen clubbiger, verbinden seine charakteristischen elektronischen Sounds mit harten Beats und eingängigen Melodien. Ein Gespräch mit dem 39-jährigen über Musik, das Kartenspiel Magic – und übers Kochen.
Frans, du bist ja nicht nur Musiker bekannt, sondern auch für deine Kochkünste. Auf Instagram veröffentlichst du als „Alle Farben Kitchen“ Rezepte und gibst Einblicke ins Kochen. Was war denn das letzte Gericht, das du gekocht hast?
Das war ein Kürbis-Dessert, mit Rote Beete und Chai-Eis. Sehr lecker, wenn man Nachtisch mit Gemüse mag. Ich finde es ganz geil, weil es keine klassische Süßspeise ist, sondern ein bisschen was Spannenderes für den Gaumen.
Gibt es für dich eigentlich beim Kochen Parallelen zum Musikmachen?
Ja, weil man sich bei beidem sehr kreativ ausleben kann. Es kommt natürlich immer darauf an, wie man kocht. Wenn man eine einfache Pasta zubereitet, um satt zu werden, ist das etwas anderes, als wenn man vier Stunden in der Küche steht, um ein Gericht mit mehr Finesse zu kreieren. Ich wollte ja auch mal Kunst studieren, habe also immer einen kreativen Ansatz verfolgt. Ohne kann ich mir mein Leben gar nicht vorstellen.
Deine neueste musikalische Kreation heißt Call My Name, eine Zusammenarbeit mit der Sängerin Sofiloud. Habt ihr den Song gemeinsam geschrieben?
Ich habe Sofiloud Ende vergangenen Jahres kennengelernt, bei einem Songwriting-Camp in Oslo. Und schon da fand ich ihre Stimme wahnsinnig toll. Der Song ist aber maßgeblich von ihr. Schön finde ich, dass auch Jesper Borgen daran mitgearbeitet hat. Er ist ein fantastischer Songwriter, er steckt etwa hinter Faded von Alan Walker. Jesper und ich kennen uns zwar – er ist ein cooler, lustiger Typ, aber wir haben noch nie einen Song zusammen veröffentlicht. Als Sofiloud mir dann den Song gepitcht hat und ich Jespers Namen in den Credits gesehen habe, war das für mich der Jackpot! Ich habe noch ein bisschen was geändert, aber die Grundidee stammt von den beiden.
Der Song klingt wesentlich tanzbarer als andere deiner Singles. Wie bist du an die Komposition rangegangen?
Zuerst hat mich der Text sehr berührt. Ich habe in meinem Leben auch mal Mist erlebt und eine Beziehung durchgemacht, die nicht so schön verlief. Und Call My Name erschien mir genau derSong zu sein, mit dem man das verarbeiten würde. Zur Musik: Ich habe einen tollen Synth benutzt, der zu Sofilouds Stimme passt. Die klingt ja schon wie ein Synthesizer, sehr orchestral. Ich habe in den letzten anderthalb Jahren meinen Sound umgekrempelt und dieser Song war definitiv ein Teil dieses Prozesses, in die clubbigere Richtung zu gehen. Dadurch sind meine letzten Singles alle etwas experimenteller ausgefallen, ich fühle mich aber total wohl damit.
Toll finde ich, wie der Beat manchmal pausiert …
… und die Melodie dann ganz alleine steht? Ja, das hat einen geilen Effekt. Der Song funktioniert auch live richtig gut, ich hab ihn den ganzen Sommer schon gespielt.
Die Verbindung von tanzbarer, energetischer Musik und dem introvertierten Text hat mich an deinen Song Love Hurt Repeat erinnert. War es Absicht, diese Gegensätze zu vereinen?
Ja, das habe ich auch ein bisschen zu meinem Markenzeichen gemacht. Please Tell Rosie etwa war ein sehr biografischer Song darüber, dass ich für die Musik teilweise die Liebe aufgeben muss. Es fasziniert mich, wenn ein fröhlich klingender Track traurige Themen behandelt. Das ist immer eine Gratwanderung; elektronische Musik ist sehr facettenreich. Man kann ohne Vocals auskommen, Gesangsfetzen benutzen oder nur von Glück und Liebe singen. Aber gerade wenn es eingängiger wird, kann man auch tiefgründige Themen verarbeiten. Denn es gibt durchaus Leute, die Lust auf Inhalte haben. Und zu merken, dass es die Leute bewegt, finde ich schön.
Deine neue Club-Single Techno Back klingt ganz anders – härter und rhythmischer.
Mir wird schnell langweilig, wenn ich zu lange bei einem Thema bleibe. Techno Back entstand eigentlich als Track von Mono Schwarz, meinem Pseudonym. Manchmal lege ich unter diesem Namen auf. Das habe ich aber nie in den Fokus gestellt, weil mir ehrlich gesagt die Zeit fehlt. Als Techno Back entstand, fand ich ihn zu gut, um ihn nicht zu veröffentlichen, obwohl er nicht ganz zu Alle Farben passt. Ich habe schon viele solcher Demos angefangen, denn das macht sehr viel Spaß. Man kann sich ganz anders ausleben als bei einer Nummer, wo der Gesang im Vordergrund steht. Es geht mehr um Sounddesign.
Wie viele Demos hast du denn im Archiv?
Alleine bei einem Songwriting-Camp entstehen pro Tag zwei Songs. Und im Jahr veröffentliche ich vielleicht fünf. Da sind also Unmengen an unveröffentlichtem Material. Manchmal ist es nur eine Idee oder ein Loop. Aber daraus entstehen wieder neue Dinge. Ich bin jedenfalls sehr motiviert. Im Herbst werde ich viel Zeit im Studio verbringen.
Arbeitest du dann in deinem Studio in Berlin?
Nein, in Frankfurt. Da sitzt mein Management und die haben ein schöneres Studio (lacht). Es ist viel Schnickschnack, aber ich fühle mich dort sehr wohl. Und ich arbeite besser, wenn ich unterwegs bin. Deswegen finde ich auch die Songwriting-Camps so toll. In Oslo, wo ich Sofiloud kennengelernt habe, war ich schon zweimal. Das ist eine Art Bootcamp für Musik.
Verbindest du bestimmte Songs dann auch mit bestimmten Orten?
Absolut! Call My Name assoziiere ich zum Beispiel mit Oslo, obwohl der Song dort nicht entstanden ist. Aber die Stadt verbinde ich eben mit Sofiloud. Abends nach den Camps bin ich immer zu meinem Hotel gelaufen, an dem wunderschönen Osloer Hafen vorbei. Das ist mir in Erinnerung geblieben.
Was ist dir bei einem Song eigentlich am wichtigsten – Rhythmus, Melodie oder Text?
Ganz klar die Melodie! Ich habe mit 13 angefangen, bewusst Musik zu hören. Da konnte ich Englisch noch nicht gut genug, um alle Texte zu verstehen, deswegen habe ich auf die Melodien geachtet. Meine ersten Lieblingsbands waren The Cure und Depeche Mode, und gerade bei Depeche Mode stehen die melodischen Synths sehr im Vordergrund, im Gegensatz zu anderer Popmusik.
Noch eine Nerd-Frage zum Abschluss: Spielst du eigentlich noch Magic?
Ja, in meinem Freundeskreis spiele ich das gelegentlich. Wenn ich unterwegs bin, gehe ich manchmal zu offenen Spielrunden, in Bangkok zum Beispiel. Ich finde das cool, weil man da ganz anderen Leuten begegnet als durch die Musik. Und wenn ich auf Tour lange Wartezeiten habe, spiele ich es online am Handy. Letzten Urlaub habe ich es dann übertrieben und jeden Tag mehrere Stunden gezockt.
Gibt es für dich auch Parallelen zwischen dem Kartenspielen und dem Auflegen?
(lacht) Irgendwie schon. Da sehe ich aber eher den Vergleich zum Kochen. Ich suche mir die Zutaten zusammen, bringe sie in die richtige Reihenfolge und präsentiere am Schluss hoffentlich einen Hörgenuss. Es gibt also schon Ähnlichkeiten zwischen einem leckeren Essen und einem gelungenen DJ-Set.