LINA: Adieu, Du mein schönes Glitzer-Ich!
Lina zeigt sich als Mensch und Künstlerin gereift.
Von Steffen Rüth

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LINA
24/1
(BMG/Warner)
Bereits erschienen
LINA ON TOUR
14.04.2023 Hannover, Capitol
15.04.2023 Hamburg, Fabrik
16.04.2023 Berlin, Metropol
18.04.2023 Leipzig, Täubchenthal
19.04.2023 Dresden, Alter Schlachthof
21.04.2023 München, Tonhalle
22.04.2023 A-Wien, Simm City
24.04.2023 CH-Zürich, Volkshaus
25.04.2023 Stuttgart, LKA Longhorn
26.04.2023 Frankfurt, Zoom
28.04.2023 Osnabrück, Hyde Park
29.04.2023 Köln, E-Werk
Lina Larissa Strahl, als Sängerin einfach Lina, ist erwachsener und reifer geworden. Wer sich 24/1anhört, das neue Album der gebürtigen Hannoveranerin, merkt deutlich, dass hier nicht mehr die weitgehend unbesorgte Teenagerin der sehr erfolgreichen ersten drei Alben am Werk ist, die zwischen 2016 und 2018 rauskamen. Und auch die lustige Hexe aus den Bibi-&-Tina-Filmen, Linas Durchbruchsrolle als Schauspielerin, ist gefühlt weit weg. Stattdessen erlebt man nun eine manchmal zweifelnde, manchmal unsichere 25-jährige Künstlerin, die in Songs wie Lost Kids,Leere Zimmer oder Kakao über Ängste und Schwächen singt, und dabei als Künstlerin sehr viel Stärke und Bestimmtheit zeigt. Wer Billie Eilish, Olivia Rodrigo oder Avril Lavigne mag, wird sehr wahrscheinlich auch mit Linas neuen Liedern eine Menge anzufangen wissen.
Lina, dein neues Album hört sich an, als hättest du viel Leidenschaft und Liebe reingesteckt. Hast du dir bewusst Zeit genommen für 24/1?
Auf jeden Fall. Das waren solide anderthalb Jahre Arbeit mit meinen Produzentinnen und Produzenten. Und auch davor gab es schon sehr viel Denkarbeit. Alles in allem habe ich sehr viel Zeit und Liebe investiert.
Wie sah diese Denkarbeit aus? Wolltest du nach drei eher Teenie-orientierten Alben ein bisschen was Reiferes, was Erwachseneres erzählen?
Genau. Das Album sollte ein Stück weit noch purer sein. Das Authentische ergibt sich auch daraus, dass ich in den letzten Jahren logischerweise älter geworden bin. Dass da auch ein zeitlicher Abstand war zwischen dem letzten Album und dem neuen. Aber das ließ sich praktisch nicht vermeiden. Irgendwann rennt die Zeit halt, und man versucht, hinterherzurennen. Ansonsten war die Herangehensweise: So ehrlich sein wie möglich und so klar es geht zu beschreiben, wie ich mich fühle.
Warum denkst du, dass jetzt der richtige Moment für dich ist, stärker ans Eingemachte und ins Persönliche zu gehen? Ist die Zeit des unbeschwerten Spaßes mit Mitte Zwanzig vorbei?
(lacht) Stimmt, das Album ist schon wesentlich melancholischer als die anderen. Ich glaube, das hängt mit vielen Dingen zusammen. Ich bin reifer geworden, und in den Corona-Jahren habe ich sehr viel rekapituliert und angefangen, darüber nachzudenken, wer ich eigentlich bin. Und vor allem: Wer ich bin, wenn ich zuhause auf der Couch sitze und nicht die öffentliche Lina bin. Ich wollte mich in den Songs wirklich mit mir selbst beschäftigen und weniger mit dem Glitzer-Ich von früher.
Wie unterscheidet sich das Glitzer-Ich vom wahren Lina-Ich?
Auch das Glitzer-Ich war authentisch, aber ich bin immer sehr gut darin gewesen, mir Dinge schöner zu reden, als sie waren und das Negative zu überspielen. Man gewöhnt sich das mit der Zeit auch an. Aber jetzt denke ich, dass damit Schluss sein sollte. Ich bin in der Realität angekommen.
Was willst du konkret anders machen?
Ich war immer super gut darin, mich anzupassen und mir zum Beispiel nicht anmerken zu lassen, wenn ich gestresst bin. Ich wollte auch gefallen und es allen recht machen. Und klar sage ich, man muss für sich einstehen und auch „nein“ sagen können, aber das perfekte Rezept, das auch umzusetzen, habe ich nicht parat. Ich habe oft Sachen gemacht, weil die anderen sagten, ich solle die jetzt machen. Ich wollte ja auch niemanden enttäuschen. Aber ich habe festgestellt, dass man sich selbst ein Stück weit verliert, wenn man nur noch darauf achtet, andere Leute zufriedenzustellen. Und … das mache ich jetzt immer noch (lacht). Aber ich bin wenigstens schon mal dahintergekommen, dass ich das ändern möchte. Am schwersten ist ja immer, sich an seine eigenen Ratschläge zu halten.
Wie haben deine Denkprozesse die neuen Songs beeinflusst?
Ich glaube, aus dem ganzen Nachdenken der letzten Jahre ist auf dem Album ein schöner Mix zwischen melancholischen und nostalgischen Stücken entstanden – verbunden mit einem Blick in die Zukunft, der zwischen Unsicherheit und Vorfreude schwankt.
Du hast im Alter von 15 Jahren angefangen in der Unterhaltungsbranche, bist also seit zehn Jahren eine mehr oder weniger öffentliche Person. Was waren die Gründe dafür, immer allen gefallen zu wollen?
Ich glaube, es ist ein Verhalten, um Stress und Konflikte zu vermeiden. Bloß führt genau dieses Verhalten dann wieder zu neuem Stress. Ich arbeite ja auch mit vielen meiner Freundinnen und Freunde zusammen; das ist schön, aber auch schwierig, da die Ebenen sehr verschwimmen. Dadurch ergeben sich manchmal gewisse Irritationen.
Macht es ein Unterschied, ob man eine junge Frau oder ein junger Mann in der Unterhaltungsbranche ist?
In einem gewissen Alter eher noch nicht. Aber irgendwann kommt das. Ich habe mir oft in Meetings gedacht: „Was wäre, wenn ich nicht die kleine, süße Lina wäre?“ Ich wusste ja immer genau, was ich will und was ich sagen möchte. Und wenn man das dann kommuniziert, ist es manchmal so nach dem Motto „Ja, genau, Schätzchen“. Meine Erfahrung war, dass man mit 15 eh nicht für voll genommen wird. Aber ab 19, 20 ist es ein Unterschied, ob man da als Frau oder als Mann sitzt.
Bist du in dem Job zur Feministin geworden?
Ein Stück weit auf jeden Fall. Das Feministische hatte ich allerdings immer schon ein bisschen in mir drin. Ich kann es nicht nachvollziehen, dass eine Frau als anstrengend oder als Zicke gilt, wenn sie mal auf den Tisch haut. Ein Mann gilt in der gleichen Situation eher als durchsetzungsstark.