ELIF: Willkommene Wachstumsschmerzen
Die Berliner Hip-Hop-Singer-Songwriterin Elif schwelgt in Melancholie
Von Steffen Rüth

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ELIF
Endlich tut es wieder weh
(Sony)
Bereits erschienen
„Ein Leben ohne Schmerz ist nicht möglich“
Von manchen wird sie schon als deutsche Taylor Swift gehandelt. Elif umarmt auf ihrem vierten Album Endlich tut es wieder weh den Schmerz und singt wortreiche Lieder, die viel mehr zu bieten haben als nur Traurigkeit.
Oh doch, Elif kann auch lustig sein. „Ich hasse alles an dir, außer dem Hund“, singt sie schön diabolisch im sowieso schon schwarzhumorigen bis sarkastischen Trennungsstück Wenn ich sterbe. Und als wir Elif zum Gespräch in Berlin, wo sie geboren ist und lebt, nach einigen Anläufen endlich erreichen, freut sie sich wirklich sehr, erst einmal nach den witzigen Aspekten in ihrer Songpoesie befragt zu werden. „Humor ist mir tatsächlich sehr wichtig“, sagt Elif. Obwohl freilich auch Wenn ich sterbe eine ernste Grundlage hat, nämlich den Kontaktabbruch zum Tier des Freundes, nachdem dieser zum Ex-Freund geworden ist. Das Phänomen der Ex-Hunde, Ex-Katzen und vielleicht auch Ex-Frettchen ist im modernen Pop bislang nur unzureichend angerissen worden, und Elif unternimmt nun einen beherzten Schritt, auch dieses Thema zu enttabuisieren.
Aber natürlich wechselt Elif Demirezer auch auf ihrem vierten Album nicht ins Comedy-Fach. Der Titel der Platte ist Endlich tut es wieder weh, was ja schon mal für sich genommen eine Ansage ist. Elif setzt sich auf den sechzehn neuen Liedern, die wie schon auf ihrem vorherigen Album Nachtnun erneut eher Beat-orientiert und dem Hip-Hop nahstehend sind statt wie zu Anfang der Karriere Folk-orientiert und mit Akustik-Gitarre (Ausnahme ist die ebenfalls augenzwinkernde Ballade Mein Babe) produziert wurden, mit unterschiedlichen Schmerzerfahrungen auseinander. Dazu zählt nostalgisch eingefärbte Melancholie wie im herzigen Song Roses, in dem sie an schöne musikalische Zeiten mit Outkast, Oasis und Amy Winehouse zurückdenkt.
Aber auch Trauer ist ein Thema. Und ja, auch Liebeskummer ist ein großer Aspekt, wobei man bei Elifs wortreichen und klugen Beobachtungen über ihre gescheiterten Beziehungen irgendwie immer denkt, dass die Typen es sowieso nicht verdient hatten, mit ihr zusammen zu sein. Sie selbst mag da nicht widersprechen und sagt: „Eine Elif ohne Liebeskummer, die gibt es noch nicht. Sonst wäre ich ja längst verheiratet.“ Ist sie aber nicht. Sondern Single. Wie sie im flotten Lonelysingt, ohne im Geringsten betrübt zu wirken über diesen Beziehungsstatus. „Früher brauchte jemand nur ein süßes Lächeln haben, und ich war bis über beide Ohren verliebt“, so Elif. Heute erwarte sie da schon ein bisschen mehr.
Nach wie vor ein Thema in Elifs Liedern ist die gewisse Zerrissenheit zwischen ihrer türkischen Familie und dem deutschen Lebensstil, für den sie sich entschieden hat. Doppelleben hieß ihr zweites Album, doch Grönemeyer-und-Marlene-Dietrich-Fan Elif ist es mittlerweile gelungen, ihre beiden Hintergründe harmonisch zu vereinen. Wenn jemand etwa Kopftuch tragen möchte, solle sie es tun. Sie selbst verzichtet darauf und sagt: „Ich bin ein krass weltoffener Mensch, der nicht beurteilt, sondern nur beobachtet.“
Elif ist bereits seit 2009 im Geschäft. Sie war 17, als sie bei der Castingshow Popstars mitmachte, brachte zwei Akustik-Pop-Alben raus, ging mit Peter Maffay auf Unplugged-Tournee, doch seit sie 2020 mit dem gefühlvollen Hip-Hop-Album Nacht die Top 10 erreichte, läuft es noch besser. Mit Highway, einem Duett mit Kollegin Katja Krasavice, schaffte sie es 2021 die Spitze der deutschen Singlecharts, war Coachin bei The Voice Of Germany und im vergangenen Frühling Teilnehmerin an Sing meinen Song. „2022 war das beste Jahr, das ich je hatte“, sagt Elif. Auch persönlich habe sie sich weiterentwickelt, sei selbstbewusster, selbstreflektierter und widerstandsfähiger geworden. Der Schmerz sei für Elif, die zeitweilig an Depressionen litt, auch ein Wachstumsschmerz gewesen. „Ein Leben ohne Schmerz ist nicht möglich“, weiß sie. Man könne sich gar darüber freuen, wenn es weh tut, denn dann fühle man, dass man lebt. Aber Elif ist auch überzeugt, dass den Schmerz nur erträgt, wer an die Hoffnung glaubt. In Bomberjacke singt sie diese Zeile. „Wenn etwas Negatives passiert, will ich es immer in etwas Positives verwandeln.“
Und Durchhängern begegne sie heute mehr denn je mit einem ehrgeizigen Sportprogramm. Fünf Halbmarathons sei sie schon gelaufen, außerdem raucht sie nicht mehr und lässt den Alkohol weg. „Ich versuche, alles zu optimieren, was ich in meinen Zwanzigern habe schleifen lassen.“ Ende letzten Jahres ist sie 30 geworden. Stolz erzählt Elif, dass sie nun in der Regel nicht mehr als junges Mädchen, sondern als erwachsene Frau wahrgenommen werde. „Meiner Jugend trauere ich nicht hinterher – ich habe sie ja erlebt und genossen.“