40 Jahre Bühne – Keimzeit feiert Jubiläum
KEIMZEIT
Von Singapur nach Feuerland
(Comic Helden/Indigo)
Bereits erschienen
Wer Keimzeit gerne einmal live erleben möchte, hat dazu in diesem Jahr noch reichlich Gelegenheit.
19.10. Cottbus
20.10. Görlitz
21.10. Annaberg-Buchholz
26.10. Köln
27.10. Tübingen
28.10. Erfurt
06.12. Hamburg
07.12. Rostock
08.12. Neuruppin
09.12. Leipzig
13.12. Berlin
14.12. Berlin
15.12. Jena
16.12. Freiberg (Sachsen)
Von Peter Osteried
Zum 40-jährigen Bühnenjubiläum von Keimzeit erschien eine Werkschau in Form einer 46 Titel umfassenden Doppel-CD mit dem Titel Von Singapur nach Feuerland. Hier sind auch seltene, alternative Versionen von Songs enthalten – und in ihrer Gesamtheit zeigen sie sehr schön die Entwicklung auf, die Keimzeit über all die Jahre vollzogen hat. Sänger und Songwriter Norbert Leisegang hat sich mit uns unterhalten.
Seit 40 Jahren steht ihr jetzt schon auf der Bühne – was hat sich von damals zu heute verändert?
Das ist eine gute Frage. Wir waren damals ja Hippies, als wir angefangen haben, und ein Freundeskreis, der eben gemeinsam Musik machte. Die 80er Jahre wurden dann durch die Neue Deutsche Welle beeinflusst. Erst zum Ende des Jahrzehnts haben wir begonnen, Alben aufzunehmen. Jetzt sind wir beim 13. Album. Im Lauf der Zeit haben wir verschiedene Produzenten kennen gelernt und Höhen und Tiefen erlebt. Alles, was man sich bei einer Band vorstellen kann, ist bei uns auch passiert. Es hat sich also immer irgendwie etwas verändert.
Die Doppel-CD umfasst 46 Songs. Wie muss man sich den Auswahlprozess dafür vorstellen – wie schwierig war es, das „Beste“ herauszupicken?
Oh, wir mussten echt harte Entscheidungen treffen. Von jedem Album haben wir was genommen, aber da wir mit zwei CDs natürlich physische Begrenzungen hatten, mussten wir eben immer stärker einschränken. Da waren wir uns nicht immer alle einig, aber letztlich kam es zum Konsens. Wenn jetzt jemand diese CD hört und sich Zeit nimmt, bekommt er so einen Abriss unserer Entwicklung über 40 Jahre.
Ist es dann für dich selbst auch überraschend, auf alte Songs zurückzublicken und zu sehen, wie sich das alles entwickelt hat?
Das ist im Grunde so, als würde man ein altes Fotoalbum durchblättern. Da merkt man dann auch, dass man damals eine andere Einstellung und Ästhetik als heute hatte, zumal die Arbeiten mit unseren verschiedenen Produzenten auch sehr unterschiedliche Erinnerungen mit sich bringen. Wenn ich mir das anhöre, habe ich nicht nur die damalige Zeit, sondern auch das, was wir damals getan haben, vor Augen. Aber es ist eigentlich irrelevant, was ich oder die Band-Mitglieder denken. Wichtig ist, was der Zuhörer denkt und empfindet. Wie ist das denn bei dir? Darf ich fragen, wie alt du bist?
Ich bin 48.
Jeder hat seinem Alter entsprechend eine bestimmte Musik, die für ihn etwas besonders Wichtiges ist. Wie ist denn deine Sicht auf das Album?
Bei mir ist es natürlich keine Nostalgie, weil ich Keimzeit nicht schon seit 40 Jahren kenne, aber ich fand es schon spannend, die alten Songs zu entdecken und zu sehen, wie sich eure musikalische Reise über die Jahrzehnte vollzogen hat. Zumal ich auch finde, dass einige eurer Songs doch eine starke Zeitlosigkeit haben und heute genauso funktionieren, wie sie das wohl damals taten.
Das freut mich. Mir ist wichtig, dass unsere Musik authentisch ist und dass der Zuhörer das auch merkt. Bei Künstlern sollte man immer spüren, wenn es echt ist. Darum ist es für mich auch spannend zu hören, wie jemand wie du die Kompilation dieses Doppelalbums empfindet. Das Spannende ist für mich zu erfahren, wie sie auf Menschen wirkt. Wir machen die Musik ja nicht für uns. Also zumindest nicht ausschließlich.
Dein Bildnis vom Fotoalbum war schon sehr treffend. Wenn man alte Songs wiederhört, dann hört man ja nicht nur die Musik, sondern fühlt noch einmal, was einen damals bewegt hat.
Weil man damals eben auch was erlebt hat. Man kam zum Konzert, hat sich dort vielleicht verliebt, war mit Freunden dort oder was auch immer. Die Erlebnisse zur Musik sind mannigfaltig, was auch gut ist, weil damit eine starke Verbindung einhergeht. Wenn man dann eine solche Zusammenstellung hört, dann kommen die persönlichen Erlebnisse wieder hoch, und das ist doch schön. Es geht mir selbst ja auch nicht anders. Wenn ich die Songs von damals höre, dann merke ich schon, dass meine Stimme da eben noch ganz anders war, als heute. Ich bin jetzt 63 Jahre alt und da hat sich die Klangfarbe eben verändert. Auch das, worüber ich schreibe, hat sich verändert, weil man ja mit 20 nicht der gleiche Mensch ist wie mit 40 oder eben 63. Na gut, man ist schon der gleiche Mensch, aber die Erfahrungen haben eben vieles verändert. Ich glaube also schon, dass ich noch wie früher schreibe, aber in mir drin hat sich eben doch auch was verändert.
Wenn du jetzt einen Song hörst, wie er vor 40 Jahren aufgenommen wurde, und wie er heute klingt, präferierst du dann eine Version von beiden oder haben einfach beide ihre Vor- und Nachteile?
Es muss einfach nur authentisch sein. Alles andere wäre falsch. Meine Stimme verändert sich, wie sie sich eben über die Zeit entwickelt hat. Seit 1989 haben wir Platten aufgenommen, und seitdem hat sich bei uns in Sachen Sound-Ästhetik einiges gewandelt. Wir sind irgendwie auch alte Hasen geworden, was die Studioarbeit anbetrifft. Das hört man sicherlich auch.
Auf dem Best-Of-Album kommen auch Versionen vor, die man gemeinhin nicht so kennt, etwa Näher mein Herz in einer Gitarrenversion. Wie tief musstet ihr wühlen – im Gedächtnis, aber auch real, um Derartiges zu finden?
Oh, schon sehr tief. Ich hab vieles von dem, was wir gemacht haben, irgendwo abgelegt. Und wenn wir einen Song von früher spielen, dann schaue ich mir den Text schon noch mal an und ich achte auch auf das Publikum, weil ich sehen will, ob es überhaupt ankommt oder ob der Zeitgeist einfach nicht mehr richtig passt. Wenn der Song aber funktioniert, dann freue ich mich natürlich total.
Was würdest du als das Highlight von 40 Jahren Keimzeit betrachten?
Da kann ich echt nichts rauspicken. Es gibt so viele Highlights und ich weiß auch, dass wir dankbar dafür sein müssen, dass wir seit so langer Zeit Musik machen können. Das ist auch ein Privileg. Ich weiß natürlich, dass manche Songs richtig gut funktioniert haben, und andere nicht – das war mitunter auch überraschend, aber letztlich bin ich sehr glücklich über all das, was wir erlebt haben - zumal vieles auch nicht geplant war, sondern einfach passierte. So kam der Intendant des Filmorchesters Babelsberg auf uns zu und wir durften mit denen was machen. Das fiel uns in den Schoss und war einfach schön. Für die Zukunft wünsche ich mir nur, dass wir unsere Ideen auch weiterhin verwirklichen und unseren kleinen Beitrag zu den schönen Künsten leisten können.